12. Mai 2021, 12:38    Matthias Will

Warum Rehe Wiesen lieben


Der Frühling tastet sich nur langsam ins Land. Immer wieder kommen Kälteeinbrüche, der Schnee fegt waagerecht am Fenster vorbei. Wie muss es sein, diese garstigen Launen des April draußen in der Natur durchstehen zu müssen? „Die Rehe zum Beispiel, die morgens, mittags oder am frühen Abend zum Äsen auf die Wiesen kommen, sind jetzt im April noch im grauen, dicken Haar und teils in größeren Gruppen unterwegs – beides typische Winterkennzeichen“, informiert Dr. Manfred Ziegler, Vorsitzender des Kreisjagdverbands Kempten.

Doch im Verborgenen keimt schon das neue Leben: Die Rehgeißen tragen Kitze in sich und werden allmählich rund. Jetzt ist die Nahrungssuche besonders wichtig. Frisches Grün hat fast alles, was Rehe brauchen, vor allem viele Vitamine. „Wann immer sie können, holen sie sich frische Kräuter und Blüten von den Wiesen“, beschreibt der Vorsitzende des Kreisjagdverbands. „Wenn das nicht geht, zum Beispiel, weil sie gestört werden, oder weil die Wiesen mit Odel bedeckt sind, bleiben sie notgedrungen im Wald und äsen sprießende Blätter und Sprossen von den Bäumen.“

Diese vollkommen natürliche Nahrungsaufnahme macht das Reh zu einer der politisch derzeit am meisten umkämpften Arten in unserer Natur. Weil die Forstwirtschaft reklamiert, dass das Rehwild finanziellen Schaden am Wald anrichte, unterliegt die Art – wie auch Gams und Hirsch – einer behördlichen Kontrolle. Jäger bekommen alle drei Jahre eine Vorschrift, wie viele Rehe sie in ihrem Revier erlegen müssen. Ausschlaggebend dafür ist oft nicht zuvorderst (wie es eigentlich im Gesetz steht) der Zustand der Rehpopulation und die Gesundheit und Sozialstruktur ihrer Individuen, sondern die Zahl der abgebissenen Knospen von den Bäumen.

Könnten die Rehe wählen, würden sie sich gar nicht so viel im Wald aufhalten und dort „Schaden anrichten“, sondern auf Feldern und Wiesen leben. Denn Rehe sind Fluchttiere, sie haben gerne einen guten Überblick über ihre Umgebung. Selbst im Winter kann man sie im Schnee und Wind auf offenen Flächen liegen sehen, sofern sie dort ungestört sind und Senf oder anderer Bewuchs ein bisschen Deckung und Nahrung geben.

Weil Rehgeißen auch ihren Nachwuchs in Wiesen großziehen, steht für Landwirte, Jäger und Tierschützer bald wieder eine stressige Zeit bevor: Vor der Mahd der Wiesen müssen sie die Jungen der Rehe aufspüren und aus dem Gras heraustragen. Laut Deutscher Wildtierstiftung werden durchschnittlich zwölf Rehkitze pro 100 Hektar Wiese gefunden.

Bild: D. Ullmann




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